Bis(s) zum Morgengrauen - Ein blutleerer Horrortrip mit Glitterboy & Co

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Desmodenia
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Bis(s) zum Morgengrauen - Ein blutleerer Horrortrip mit Glitterboy & Co

von Desmodenia am 14.05.2011 17:33

Nun denn, ich hatte mich ja schon immer gefragt warum so ein Rummel um diese ganze Bis(s) Saga gemacht wird und die schiere Neugier, angefacht durch eine Freundin - ein erklärter Fan dieser Buchreihe - , trieb mich dazu den (immerhin) fünfhundert Seiten starken Wälzer in die Hand zu nehmen und mich einmal von einer anderen Autorin, außer meiner verehrten Anne Rice (die inzwischen ebenfalls stark abgebaut hat), in das Reich der mystischen Blutsauger enführen zu lassen.

Ohne langes Gefasel komme ich zum Punkt. Die letzte Seite des Buches ist gelesen - und mich hat das Grauen gepackt. Allerdings nicht wegen des schriftstellerischen Könnens der Autorin oder der kommerziell genialen Idee, eine Highschool Romanze mit einem Vampirroman zu verbinden, sondern wegen der geglätteten Figuren, der unsäglich flachen Charakter und der platten Dialoge.
Ich lese gerne Belletristik und oft auch die richtig schlechten Wälzer, aber ein dermaßen uninspiriertes Werk mit langatmigen Passagen und eine durchsichtigere Motivstruktur ist mir noch nie untergekommen.

Twilight erzählt die Geschichte der Bella Swan. Unbarmherzig prügelt sich dieser Name ins Hirn des Lesers. Die Namensbedeutung Bella Swan konterkariert die Selbsteinschätzung der siebzehnjährigen Emo-Teenagerin einfach zu deutlich. Nein, vollkommen klar: Sie ist nicht das hässliche Entlein, für das sie sich hält. Sie ist sogar so schön, dass sich nach ihrem Umzug gleich alle in sie verknallen. Auch der über hundertjährige Edward, eine bis zur Unkenntlichkeit kastrierte Vampirfigur, dessen Äußeres an Michel Angelos David erinnert ... außer dass Edward im Sonnenlicht glitzert wie "Mein kleines Pony".
Glitzervampire! Als ich diese Passage las, wünschte ich mir den metaphorischen Holzhammer zurück, um mir die soeben gelesene Dummheit aus meinem Hirn zu schlagen!
Nein, Edward ist kein Monster ! Er saugt den Duft der Jungfrau zwar ein, labt sich aber lieber am Berglöwen. Um die besondere Ästhetik und Transzendenz des Vampirs noch hervorzuheben, packt Stephenie Meyer ihr ganzes mythologisches Verständnis aus: gefühlte 3 Millionen Mal stolpert man über den Vergleich Edwards mit einem Engel. Wie soll der Vampir denn da noch böse und unheilig sein? Wie soll man da die Passagen, in denen er über seine fürchterlichen Kräfte spricht, noch unheimlich finden können?
Ja, und weil er dann auch noch guter Amerikaner ist, spielt er mit seinen Superkräften noch `ne Runde Baseball... . Edward - gebildet, musikalisch- hält seine dunklen Gelüste durch Selbstdisziplin zurück und hält dabei selbst höchste moralische Standards ein.

Ganz unwohl fühlt man sich dabei, wenn man den Text dabei als Analogie begreift, doch bitte keinen Sex vor der Ehe zu haben. Der Biss des Vampirs als Symbol für die Defloration ist seit Bram Stoker schließlich etabliert und Edward, ganz Gentlemen, weigert sich standhaft Bella zu beißen. Diese, gerade mal siebzehn, labert von ewiger Liebe und will sich ihr ganzes Leben dem Hinterwäldlervampir hingeben, der seit 100 Jahren zur Highschool geht.

Dass Edward ein Vampir ist, gerät vollkommen zur Farce. Nichts mehr bleibt vom eigentlichen Mythos der blutsaugenden Untoten zurück: Weder die Auswahl eines möglichst leckeren Opfers, noch die Verführungskunst als Waffe werden thematisiert. Auch gibt es keinen passenden Vampirjäger, der unfähige Indianersohn und dessen im Rollstuhl sitzender Vater Bill jedenfalls haben einen Nichtangriffspakt geschlossen. Nun, dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass Bill ein Werwolf ist, so wie der die Nüstern bläht, wenn der schnieke Edward mal wieder mit Bella den Abwasch macht oder ihr zärtlich ein Küsschen aufdrückt ... zu mehr reicht es ja nicht. Man bleibt moralisch einwandfrei.
Kurz, ob Edward und seine Sippe Vampire oder Außerirdische wären oder einer religiösen Sekte angehörten, ist vollkommen irrelevant für die Geschichte. Der Vampirmythos wird nicht genutzt, sondern nur zur Genreabgrenzung gebraucht ' sonst bleibt er völlig außen vor. Selbst 'das Fremde' oder 'das Unheimliche' kommen nur in homöopathischen Dosen vor.
Ich jedenfalls kann nicht verstehen, was man an dem Buch spannend und aufregend finden kann, selbst wenn man es mit dem Unterhaltungswert der Bedienungsanleitung eines DVD- Players vergleicht.

Der innere Konflikt Bellas und Edwards - oder der seiner Sippe - kommt im Buch ebenfalls zu kurz, stattdessen wird hopplahopp doch ein wilder urtümlicher Vampir ausgepackt ' der Hunter ' der aus reinem Übermut Bella niederquälen will. Endlich doch: Eine echte düstere Figur mit einem Auftritt, der leider zu kurz und zu schnell beendet wird. So wird auch diese Chance verschenkt, Edward auf einen Rachefeldzug zu schicken und aus ihm einen Vampir zu machen. Ein generelles Problem: Stephenie Meyer lässt keine Figur wirklich in einen Konflikt fallen. Jedes Mal, wenn eine Katastrophe drohen könnte, weicht der Charakter seltsam aus und freundet sich wieder neu mit seiner Umwelt an. Ob es sich um die Teenagerjungs Tyler und Mike handelt, die um Bellas Gunst buhlen, oder die Pseudogang mit Vergewaltigungsabsichten, nichts kühlt das Gemüt eines angesäuerten Vampirs so gut, wie seiner Bella beim Cola saufen zuzusehen.

Nachdem der Inhalt ziemlich austauschbar ist, so kann man ja noch auf eine poetische Sprache, witzige Dialoge oder überraschende Sequenztwists hoffen. Aber der Leser der Rezension wird es schon vermuten: auch hier wird man gnadenlos enttäuscht. Das Buch kann man getrost auf dem Klo lesen und sich dabei auf Wesentlicheres konzentrieren. Die Autorin nutzt einen begrenzten Wortschatz, so dass man gelegentlich den Eindruck bekommt, eine Passage doppelt zu lesen. Die Dialoge sind weder pointiert, noch charakterisieren sie, was sie charakterisieren sollen: Den Ausnahmeintellekt Bellas und Edwards. Stattdessen plätschern sie vor sich hin, wie der stockende Harnfluss eines Prostatakranken. Von sprachlicher Potenz kann also keine Rede sein.

Ich bin wirklich erstaunt, weshalb Twilight so erfolgreich ist, als Groschenroman für zwei Euro in einer Baumarkt - Grabbelkiste kann ich mir das Buch besser vorstellen als in der Hugendubelauslage auf allen Regalbrettern.
Tatsächlich konnte diese vereinfachte Romeo und Julia Geschichte, auf die sich der Text runterbrechen lässt, einen Erfolg verbuchen: Einen eigenen Post im Forum zu bekommen, der sich als Buchrezession nicht in den eigentlichen Empfehlungen wiederfindet, ist durchaus eine zu würdigende Leistung, die durch ihre Negativität geradezu genial ist.

Ich persönlich jedenfalls schüttle mich vor Abscheu vor diesem Werk und verfluche mein Interesse an moderner Popkultur, welches mich dazu gebracht hat, diesen Text zu lesen. Lestat möge mir verzeihen....

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 14.05.2011 17:57.
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